Geschichte

30 Jahre Ausländerhilfe

Wurzeln: 1982 – 1995

Die Wurzeln der Ausländerhilfe im Landkreis Ebersberg e.V. reichen zurück ins Jahr 1982. Damals gründete sich – als Initiative des Ebersberger Kreisverbands der Jungsozialisten (JUSOS) – die Grafinger Ausländerinitiative. Unmittelbarer Anlass war eine Entwicklung im damaligen Neubaugebiet Schloßstraße in Grafing, das einem Hamburger Investor gehörte. Die Einfamilienhäuser in dem Gebiet erwiesen sich als schwer verkäuflich. Der Investor vermietete sie an Menschen hauptsächlich türkischer Nationalität und an Asylbewerber. In jedem dieser Einfamilienhäuser lebten plötzlich 12 oder 15 Menschen.

Es kam zu Spannungen am Ort und als Reaktion auf diese Spannungen versuchte die Initiative, das Vertrauen der neu Zugezogenen zu gewinnen, um sie bei der Integration in Grafing zu unterstützen. Den Kern der Gruppe bildeten etwa 12 Deutsche und zwei junge Türken. Zwei der damaligen Gründungsmitglieder – Alfred Daum und Claudia Peter – sind heute noch aktiv. Zu den ersten Angeboten gehörten Deutschkurse und Hausaufgabenbe­treuung für die Schulkinder.

Überlebenshilfe

Die Initiative hätte damals nicht überlebt ohne die bereitwillige Unterstützung der Evangelischen Kirche in Grafing, der VHS und des Kreisjugendrings. Die Kirchengemeinde stellte uns den ersten Raum zur Verfügung, die VHS vermittelte Lehrerinnen und Lehrer und der Kreisjugendring übernahm in den ersten Jahren fast sämtliche finanziellen Ausgaben und organisatorischen Aufgaben.

Schnell stellten die Initiatorinnen und Initiatoren fest, dass sie professionelle Unterstützung brauchten. Sie mussten Arbeitgeber werden. Denn die Zahl der Menschen, die nach Unterstützung fragten, wuchs rasch. Schnell war nicht „nur“ Hausaufgabenhilfe gefragt, sondern Beratung bei der Arbeitsplatz- und Wohnungssuche, in Aufenthalts- und sozialen Fragen. Arbeitgeber sein, das konnten nur eingetragene Vereine. Also wurde 1985 aus der Spontigruppe ein Verein, mit so anstrengenden Dingen wie Vorstandswahlen, Protokollen, Satzungen und Arbeitsverträgen.

Professionalisierung

Und Zuschussanträgen! Mitarbeiterinnen wollten genauso bezahlt werden wie Büromieten. Der junge Verein bekam Zugang zu Programmen der Bezirksregierung und auch der Landkreis Ebersberg öffnete seine Schatullen. Beide Verwaltungsebenen sorgen bis heute für das finanzielle Rückgrat des Vereins. Rasch wurde Grafing zu klein, der Verein zog nach Kirchseeon (wieder in Räume der Evangelischen Kirchengemeinde), dann nach Ebersberg, wo er bisher viermal umgezogen ist.

Kriege: 1995 – 2015

Mit den politischen Wechselwirkungen in Europa und dem Nahen Osten gaben sich viele Nationalitäten die Bürotür in die Hand. Es kamen Arbeitnehmer, Geflüchtete und Spätaussiedler, Frauen und Männer aus der Türkei, den kurdischen Gebieten, dem Bürgerkriegs-zerstörten Libanon, dann die Opfer der jugoslawischen Nachfolgekriege aus Serbien, Kroatien, Bosnien und dem Kosovo. Unmittelbar darauf folgten Menschen aus Russland, Bulgarien, Rumänien, Polen, Albanien und Vietnam. Die weltpolitischen Verwerfungen nach der Jahrtausendwende brachten Zuzüge aus Afghanistan, Syrien, dem Irak und Iran, Somalia, Eritrea, Nigeria, Ghana und dem Senegal.

Langweilig wurde es nie. Die Arbeit lag hauptsächlich in den Händen unserer Sozialpädagoginnen Bärbel Baumann, Anne Cohrs und jetzt Caterina Maurizi. Die ehrenamtliche Hausaufgabenbetreuung in Ebersberg wird von Friederike Häußler geleitet, seit geschlagenen 30 Jahren. Seitdem ist sie auch Sprecherin, genauso wie Ilke Ackstaller, die ebenfalls die Ausländerhilfe vor mehr als zwei Jahrzehnten zu einem Teil ihres politischen Alltags gemacht hat.

Wir haben freche kleine Mädchen begleitet, bis sie junge Damen waren, und Chefinnen. Wir haben Essensportionen ausgefahren, als die Politik meinte, „Sachleistungen“ an Geflüchtete verteilen zu müssen. Wir haben Möbelwagen voll geladen mit Spenden-Paketen und sind über die Berge gefahren, nach Zagreb und Gradačac, bis wir Geschützdonner hörten und Möbel sahen, die aus Fensterhöhlen hingen wie Eingeweide. Es waren die Neunziger, der Krieg war zurück in Europa.

Zukunft

Die Menschen aus dieser ehemaligen Kriegsregion kommen heute zu uns als hoch willkommene Pflegekräfte im Kreiskrankenhaus. Und spätestens mit Beginn des Bürgerkrieges in Syrien 2011 ist Migration auf allen politischen Ebenen zu einem konstanten Thema geworden. In Ebersberg haben wir 2015 Feldbetten aufgeschlagen für die Kriegsopfer. Wir haben mit Freuden gesehen, wie sich in vielen Landkreisgemeinden Helferkreise gründeten, die vor Ort erfolgreiche Integrationsarbeit betrieben und weiterhin betreiben. Fast aus dem Stand und über Parteigrenzen hinweg hat die Zivilgesellschaft in Deutschland, Bayern und im Landkreis Ebersberg ein Integrations-Instrumentarium geschaffen, dessen erste Erfolge bereits jetzt wissenschaftlich nachgewiesen sind.

Integrationsarbeit ist Menschenrechtsarbeit, und also eine Aufgabe für Generationen. Wir sehen jetzt bereits die dritte Generation von Schülerinnen und Schülern im Kampf mit dem kleinen und großen Einmaleins des Lebens. Die Arbeit macht fast immer Spaß und wir sind immer zu wenige. Neuankömmlinge sind weiterhin herzlich willkommen!